Flüchtlinge können wesentlich schneller beruflich Fuß fassen als gedacht. Das kann das KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum Sankt Nikolaus sehr anschaulich belegen: Fünf junge Flüchtlinge haben dort in diesen Tagen ihre Gesellen- oder Facharbeiterprüfung vor der Prüfungskommission der Handwerkskammer bestanden, und keiner von ihnen ist länger als dreieinhalb Jahre in der Einrichtung. Und ihre Abschlusszeugnisse sind nicht schlecht, keiner hat in der theoretischen oder in der praktischen Prüfung eine schlechtere Note als eine drei. „Das war kein Selbstläufer, sondern richtig harte Arbeit“, so Konrad Fath, Leiter der Einrichtung. „Aber es geht. Wir können so Flüchtlinge in relativ kurzer Zeit beruflich und damit auch gesellschaftlich integrieren.“
Die Einrichtung hat seit bald hundert Jahren Erfahrung darin, junge Leute mit schlechten Startchancen in Lohn und Brot zu bringen. Neben dem großen Erfahrungsschatz der Einrichtung und dem hohen Engagement der Mitarbeiter war das regionale Netzwerk mit Kontakten zu vielen Unternehmen ein Erfolgsfaktor, der zum Gelingen des Dürrlauinger Modells geführt hat. „Entscheidend war auch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Jugendamt und Handwerkskammer. Da stand immer das angestrebte Ziel im Mittelpunkt, und so konnte es auch gelingen“, sagt Fath.
Das Erfolgsrezept im Alltag ist sicherlich, dass das pädagogische Handeln im „Dürrlauinger Modell“ auf den jungen Menschen und die mögliche Entfaltung seiner Begabungen ausgerichtet ist, nicht auf die Finanzierungslogik der einzelnen Maßnahmen und Kostenträger. Es wird mit den Stärken und Schwächen jedes Einzelnen gearbeitet, aus einem Guss, aus einer Hand, abgestimmt und koordiniert. Die Einrichtung setzt von Anfang an sehr stark auf das praktische Tun, auch wenn die Sprachkenntnisse der jungen Leute zu Beginn der Ausbildung noch sehr spärlich waren. „Das bringt wieder Motivation und beflügelt ungemein. Das Erlernen der Sprache bekam für diese jungen Menschen auf einmal einen viel tieferen Sinn, und dann haben sie sich auch mehr dahintergeklemmt“, berichtet Fath aus der Erfahrung.
Kathrin Littwin, Geschäftsführerin der Firma Littwin GmbH in Offingen, bietet ihren Kunden Rolläden und Markisen genauso wie Garagentore, Türen und Fenster an. Sie wird einen der jungen Flüchtlinge anstellen, den sie bereits im Praktikum erlebt hat, und ist voll des Lobes über Saliou Sylla. „Er war mit verschiedenen Teams draußen, und alle meine Mitarbeiter haben mir berichtet, dass er fleißig ist und sich engagiert“, berichtet sie. „Ich habe das Flüchtlingsthema anfangs schon sehr kritisch gesehen und war der Meinung, dass wir in Deutschland diese Menschenmassen nicht aufnehmen können. Als ich dann aber Saliou vor mir sitzen hatte und er mir von seinen Erlebnissen auf der Flucht erzählt hat, hat ein Umdenken bei mir eingesetzt“, so die Unternehmerin. „Er hat sich sehr bemüht sich zu integrieren, und es ist mir schon ein Herzensanliegen, dass ihm das gelingt.“ Sie betont, dass es ihrer Meinung nach auf den einzelnen Menschen ankommt, ob er sich integrieren möchte. Und sie schildert auch, dass sie in den vergangenen Jahren große Schwierigkeiten hat, für ihren Betrieb genügend handwerklich ausgebildete Mitarbeiter zu finden. „Dem Beruf des Handwerkers wurde seitens der Gesellschaft in der Vergangenheit nicht die Wertschätzung zuteil gebracht, die er verdient hätte. Die Folgen hieraus spüren wir nun: Junge Menschen streben lieber eine akademische Laufbahn an, und meiden die handwerkliche Ausbildung.“
Saliou Sylla ist einer von diesen jungen Flüchtlingen. Vor 20 Jahren in Mali geboren, ist er vor dem Terror der Islamisten in seinem Heimatland geflohen, nachdem diese seine Mutter ermordet hatten und den Rest der Familie verfolgten. Saliuo ist daraufhin über Spanien nach Deutschland geflüchtet. Nach einiger Zeit in der Bayernkaserne in München kam er nach Dürrlauingen. Jetzt hat er die Prüfung als Fachpraktiker Holz abgeschlossen und erwartet in Kürze seine Arbeitserlaubnis, die fehlenden Papiere sind unterwegs. Seine große Liebe ist Fußball, bis vor kurzem spielte er beim SC Mönstetten in der B-Klasse und trainierte zusammen mit einem anderen Vereinsmitglied die dortige F-Jugend; seit dem 1.7. spielt er mit dem TSV Burgau in der Kreisliga. Jetzt ist er sehr dankbar für die große Unterstützung, die er immer wieder erfahren hat. „Es ist gut, dass junge Leute in Deutschland die Chance zu einer Ausbildung bekommen. In Mali gibt es für junge Menschen keine beruflichen Perspektiven.“
Zurzeit befinden sich im KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrum Sankt Nikolaus 17 weitere junge Flüchtlinge in Ausbildung.