Drei Tonfiguren des Künstlers Jochen Meyder haben ihren festen Platz in der KJF Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe in Dürrlauingen. Sie erinnern an die 10.654 „Euthanasie-Morde“ der Nationalsozialisten im Schloss Grafeneck (Baden-Württemberg). Der Künstler hat für jede ermordete Person eine Tonfigur hergestellt. Diese Menschen wurden im Zuge der „Aktion T4“ (was für die Tiergartenstraße 4 in Berlin steht) von 1940 – 1941 systematisch verfolgt und ermordet. Die Gründe waren unter anderem eine geistige oder körperliche Behinderung sowie psychische Erkrankungen. Warum konnte das geschehen? Wer war beteiligt? Und warum hat niemand etwas dagegen unternommen? Diesen und weiteren anspruchsvollen Fragen widmeten sich die Schülerinnen und Schüler der Fachschule – nicht nur in Dürrlauingen.
Ende Oktober machten sich die Schülerinnen und Schüler des 2. Ausbildungsjahres auf den Weg nach Grafeneck. Dort fand nicht nur die „Aktion T4“ ihren Anfang, sondern Grafeneck wurde auch im Laufe der Zeit zum „Vorbild“ aller weiteren Vernichtungsanstalten dieser Art. Elf Monate lang wurden dort täglich rund 75 Menschen vergast. Den Familien wurden vom dort installierten Standesamt gefälschte Sterbeurkunden und Trostbriefe, die falsche Angaben zur Todesursache beinhalteten, zugesandt. Aufgrund seiner Lage – auf einem Berg und etwas abgelegen von anderen Ortschaften – eignete sich Grafeneck gut für diese Verbrechen. Heute ist die Einrichtung wieder in Besitz der Samariterstiftung, die das Grundstück bereits vor der „Aktion T4“ besaß und damals enteignet wurde.“
Ort der Erinnerung, Mahnung und Hoffnung
Die Gedenkstätte Grafeneck dient als Ort der Erinnerung, Mahnung und Hoffnung. Die Exkursion gab den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich mit der Vergangenheit von Menschen mit Behinderung zu befassen. Als besonders einprägend behielten die Schülerinnen und Schüler die Biographie von Bernhart Schmid und das Täterhaus, in dem die unterschiedlichen Täter und Mittäter wohnten, aber auch das Blättern im Namensbuch der „Euthanasie – Opfer“, in Erinnerung. Der Verlauf der Exkursion zeigte ihnen aber auch, dass es eine positive Zukunft gibt. Neben dem Besuch der Gedenkstätte erhielten die Jugendlichen auch eine Führung durch die dort entstandene Landwirtschaft mit Tierhaltung und den Wohnbereich der Samariterstiftung für Menschen mit Behinderung.
Warum beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler der Heilerziehungspflege mit diesem Thema, und warum ist die Exkursion nach Grafeneck für die Fachschule der Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe in Dürrlauingen ein fester Bestandteil der Ausbildung geworden? „Es ist wichtig, nicht zu vergessen – und noch wichtiger ist es, zu erinnern. Außerdem ist das Thema zeitunabhängig und stets präsent, da es keinen exakten Anfang und auch kein Ende hat. Wir müssen lernen, uns immer wieder neu mit uns und unserer Umwelt zu beschäftigen, indem wir uns auch heute noch zahlreiche Fragen immer wieder stellen dürfen und auch sollten“, erklärt Mareike Weigele, Dozentin und Praxisbegleiterin an der KJF Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilerziehungspflegehilfe in Dürrlauingen, die die Exkursion organisiert hatte.
• Machen wir heute schon alles richtig im Umgang mit Menschen mit Behinderung?
• Was genau ist Würde?
• Wie stehen wir zur Pränataldiagnostik?
• Welchen Wert hat das Leben?
• Welche Ethik brauchen wir für eine gerechte Gesellschaft?
Mit dem am Anfang erwähnten Kunstprojekt soll Erinnerungsarbeit über die Gedenkstätte hinaus ermöglicht werden. Und gerade deshalb ist es wichtig, sich für die Erinnerung auch einmal auf den Weg nach Grafeneck zu machen.